Der neue Doll ist nicht mehr nett
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Bei Borussia Dortmund kriselt es wieder. Der ambitionierte Club spielt ohne Konstanz, die Ergebnisse sind entsprechend. Trainer Thomas Doll, als Kumpeltyp bekannt, geht seine Profis härter an. Und es sieht danach aus, dass er noch ungemütlicher werden muss. Es war auch gestern Abend nach dem 0:3-Debakel Borussia Dortmunds gegen den HSV so: Thomas Doll gab sich in der Niederlage gesprächig, Huub Stevens zog es erneut vor, sich in die Einsilbigkeit zurückzuziehen. ""Nach diesem Sieg denken sicher alle, dass wir Meister werden können"", sagte Stevens, immerhin relativ milde gestimmt. Er weiß, dass Hamburg (genauso wie Dortmund) ein Fußballstandort ist, an dem man selten den Ansprüchen genügen kann. In ihrem Kommunikationsverhalten könnten sie nicht gegensätzlicher sein, Huub Stevens und Thomas Doll. Der HSV-Trainer und sein Vorgänger, der zum ersten Mal gegen seinen früheren Club auf der Dortmunder Trainerbank saß (mehr...). Für Stevens dürften Pressekonferenzen oft ein notwendiges und lästiges Übel sein. Wenn er sich öffentlich äußert, dann greift er meistens an. ""Hast du nicht gesehen, wie viele Stürmers ich auf den Platz stelle?"", fragt er in seinem drolligen Deutsch in die Journalistenrunde, die ihm mechanisch vorhält, dass er zu defensiv agieren lässt. Erfolgreich, aber unansehnlich: eine Zsthetik-Debatte, die den Niederländer bislang auf allen seinen Stationen einholte und die ihn zunehmend verdrießlich werden lässt. Rainer Schäfer, 44, arbeitete zuletzt als Chefredakteur beim Fußballmagazin RUND. Er stammt aus Oberschwaben, lebt aber seit vielen Jahren in Hamburg. Schäfer brach 2003 nach intensiver Beziehung mit dem FC St. Pauli und meidet seitdem das Millerntor. Doll dagegen ist der Vertreter einer Trainergeneration, die lieber einen Satz zu viel anbringt als einen zu wenig. Der 41-Jährige versteht sich als Fußballpädagoge, der gerne vermittelt, erklärt und mit Worten überzeugen will. Doll muss mitteilen, was ihn bewegt. ""Dolly"", wie er in Hamburg gerufen wird, löst Kuschelreflexe aus. Beim HSV wollten ihn alle in den Arm nehmen und kurz drücken. Er ist der Typ, den alle mit Kosenamen rufen, umgänglich und unkompliziert. Selbst als er am 1. Februar 2007 beim HSV als Tabellenletzter gefeuert wurde, wurde er freundlich verabschiedet. Einen anderen Trainer hätten sie mit seiner Bilanz - zwei Siege in 28 Pflichtspielen - rüde vom Hof gejagt. Wer Doll (auch jetzt in Dortmund) reden hört, kann das verstehen. Seine Begeisterung, mit der er vom Fußball erzählt, wirkt ansteckend. Fachlich zählt er zu den versiertesten Trainern der Liga, aber er hat sich eine ordentliche Portion Bodenständigkeit im Umgang mit seinen Profis bewahrt. Beim HSV wollte Doll der Kumpel seiner Spieler sein. Er glaubt daran, dass gemeinsam Erlebtes verbindet und stark macht: So stürzte sich Doll rückwärts mit seinen Profis am Bungee-Seil von Brücken, um den Teamspirit zu festigen. In Dortmund könnte es ebenfalls einen Sturz geben, allerdings einen unfreiwilligen. Nach sieben Spieltagen und vier Niederlagen muss man wieder um Doll bangen. Bereits nach den beiden Auftaktpleiten war Spott und Hohn auf die Dortmunder niedergeprasselt. Stellvertretend fürs Team hatten der aus Karlsruhe gekommene Zweitliga-Torschützenkönig Giovanni Federico und Mladen Petric, der Schweizer Torjäger, büßen müssen. Den hatte Doll zuerst ins Mittelfeld gestellt, das Experiment misslang. Mittlerweile im Sturm, hat der begabte Petric inzwischen vier Treffer erzielt, gestern blieb er unter seinen Möglichkeiten wie Federico, der frühzeitig ausgewechselt wurde. Die Unbeständigkeit ist das Merkmal der Dortmunder: Entweder sie zeigen überragenden Offensivfußball wie beim 3:0 über Bremen oder scheitern kläglich wie gegen den HSV. Der BVB verliert viel zu schnell die Fassung, wenn das Spiel sich nicht so prägen lässt, wie auf der Taktiktafel aufgemalt. Dolls auf Platz neun rangierender Borussia fehlt das, was man Stevens HSV vorwirft: Ordnung und Stabilität. Dass die Attraktivität des Spiels darunter nicht immer leiden muss, demonstrierte der HSV: Der Tabellendritte brachte den Ball über zwei, drei Stationen schnell durchs Mittelfeld in den Dortmunder Strafraum, wo gestern sogar der Torabschluss gelang. Das war auch Stevens nicht entgangen, der den Grad seiner Zufriedenheit - wie gehabt ganz präzise - beziffern konnte: ""zu 99,9 Prozent"". Doll hingegen klagte über Schmerzen: ""Das hat weh getan. Vor allem wie wir in der ersten Halbzeit aufgetreten sind war sehr enttäuschend."" Der BVB-Coach, dessen Mannschaft mit 13 Gegentreffern die schlechteste Abwehr der Bundesliga stellt, ahnt wohl, was ihn in den kommenden Tagen erwarten wird und baut schon einmal vor. ""Ich habe immer gesagt, dass wir noch einen langen Weg vor uns haben."" Dolls Umgang mit den Spielern hat sich ja schon gewandelt, wie jüngst Dortmunds starker Mann, Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, bestätigte: ""Er hat genau richtig reagiert und die Zügel angezogen. Diese Mannschaft braucht seine starke Hand."" Petric sagte unlängst: ""Thomas Doll ist energischer als vorher."" Vielleicht muss der frühere Offensivspieler sogar noch direkter und härter agieren. Das soll ja die beste Sprache sein, die Fußballprofis verstehen. In seiner Hamburger Zeit fuhren während eines Trainingslagers Spieler mit dem Fahrrad durch die Hotellobby. Doll, der sich gerne mit Lederbändchen und Schmuck . la Aussteiger auf La Gomera behängt, wirkte damals wie ein Lehrer, dem seine Schüler auf der Klassenfahrt langsam entgleiten. Am Ende hatte Doll tatsächlich keinen Einfluss mehr auf seine Schützlinge. In Dortmund muss er aufpassen, dass ihm das nicht wieder passiert. Für kollegialen Rat oder sogar Nachhilfe wäre Stevens der geeignete Mann. Der Trainer-Routinier, quasi ein Gegenentwurf zum antiautoritären Doll, ist dafür bekannt, dass gelebte Disziplin zu seinen favorisierten Umgangsformen zählt.