Wenn Steven Pienaar (24) über seine Kindheit spricht, wirkt er wie einer dieser abgestumpften Ghetto-Reporter. ""Wo ich herkomme"", sagt Borussia Dortmunds neuer Spielmacher, ohne eine Miene zu verziehen, ""besteht das Leben aus Drogen, Einbrüchen und Mord.""
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Von Steven Pienaar erhofft sich der BVB mehr Torgefahr aus dem Mittelfeld heraus. Der Südafrikaner hat in Johannesburg lernen müssen, sich durchzusetzen. |
Johannesburg - Hauptstadt der Provinz Gauteng in Südafrika. Eine grausame Macht mit angeblich 8 Millionen Einwohnern. Niemand hat je genau nachgezählt, und in den Ghettos würde sich wohl auch niemand zählen lassen. Statistisch belegt ist nur, dass die Stadt eine der höchsten Kriminalitätsraten auf dem ganzen Planeten aufweist. Etliche Bürogebäude in der City stehen leer, viele Weiße haben das Zentrum aus Sicherheitsgründen verlassen. Hier also soll die Fußball-Weltmeisterschaft 2010 stattfinden. Hier ist Pienaar aufgewachsen. Er wird hineingeboren in die Gewalt. Sein Vater stirbt, als der Kleine drei Jahre alt ist, der jüngeren Schwester Jocelyn und Bruder Galvin ist Steven ein Papa-Ersatz. Die Mutter verbietet dem Filius vor lauter Angst, das Haus zu verlassen. ""Meistens"", sagt Pienaar, ""bin ich trotzdem über die Mauer gesprungen und zu meinen Kumpels gelaufen."" Ob er in einer der berüchtigten Gangs war? ""Es ist besser, nicht darüber zu reden"", meint der Rasta-Mann. Nur so viel: ""Bis zum vergangenen Jahr saßen zehn meiner Kumpels wegen ein und derselben Geschichte im Knast. Es gab Situationen auf der Straße, in denen auch mein Leben auf dem Spiel stand."" Worum es ging? Pienaar schweigt. ""Jede Faser seines Körpers"", betont BVB-Trainer Bert van Marwijk, ""strahlt Siegeswillen und Biss aus."" In Johannesburg muss man beißen. Pienaar spricht ständig vom ""survival of the fittest."" Nur, wer stark ist, überlebt. Er ist stark am Ball. Mit seinem ersten ""signing fee"", einem Handgeld für die Vertragsunterschrift, entzieht Pienaar die Familie dem kriminellen Moloch. Seiner Mutter lässt er ein Haus bauen. ""Sechs Schlafzimmer, Pool, Tennisplatz - das bekommst du in Südafrika für 100.000 Euro"", sagt Pienaar. Als er 2001 bei Ajax Amsterdam unterschreibt, kommt eine zweite Immobilie dazu. Der Familie, der nun auch zwei adoptierte Mädchen angehören, geht es ausgesprochen gut. Gangster werden - oder arbeiten: Pienaar ist die Entscheidung dank seines Talents leicht gefallen. In Dortmund hoffen sie, dass der 1,74 Zentimeter kleine Profi (68 Spiele/8 Tore für Ajax) mit dem sicheren Pass ein legitimer Nachfolger von Tomas Rosicky (Arsenal London) wird. Als Kopie des Tschechen darf er nicht herhalten: Rosicky ist schneller, zuweilen allerdings auch phlegmatischer, Pienaar stößt im Vergleich zu seinem Vorgänger häufiger in die Nahtstellen der gegnerischen Abwehr vor. Borussias Klubführung hat ihn aber auch aus einem anderen Grunde verpflichtet: Die Verantwortlichen suchten jemanden, der die Harmonie-Blase im Dortmunder Kader platzen lässt, wenn es sportlich nicht läuft. Steven Pienaar sagt: ""Ich kann das!"" Beißen hat er ja gelernt.