Der Borussenflüsterer
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In seinem ersten Jahr in Dortmund zeigt Jürgen Klopp, dass er auch einen Großklub erfolgreich trainieren kann. Siegt der BVB im nächsten Spiel in Wolfsburg, greift er nach den Sternen. Als Jürgen Klopp vor Wochen gefragt wurde, ob es nicht nerve, dass seine Mannschaft ihre Spiele gewinnt und trotzdem in der Tabelle nicht klettert, weil die Konkurrenz fleißig mitpunktet, fand Dortmunds Trainer eine Antwort von philosophischer Relevanz: Fußball sei ein Abbild des wahren Lebens, und auch dort werde harte Arbeit nicht immer sofort honoriert. ""Aber irgendwann wird sie belohnt."" Es scheint, als solle der 41-Jährige Recht behalten. Denn inzwischen lässt sich die Dortmunder Erfolgsserie auch im Tableau ablesen. Drei Spieltage vor Saisonende steht die Borussia auf Rang fünf - eine Platzierung, die zum Start in der neu gegründeten Europe League berechtigt. Auf ihrer Aufholjagd hat der BVB die Konkurrenten aus Hoffenheim, Leverkusen und Schalke abgehängt und nun auch noch den HSV überholt. Der VfB Stuttgart und Hertha BSC spüren den heißen Atem des Verfolgers. So mitreißend ist der Parforceritt, dass die ewig schwächelnde Aktie eine spürbare Kurssteigerung erlebt und die Fans mittlerweile schon vom ganz großen Ding träumen. Fünf Punkte liegen die Dortmunder hinter der Spitze, und Anhänger mit gutem Gedächtnis wissen: In der Saison 2001/2002 hat es nach 31 Spieltagen die gleiche Konstellation gegeben. Am Ende hieß der Meister Borussia Dortmund. Wer Klopp damit konfrontieren würde, bekäme wohl den Ratschlag, die Drogen abzusetzen, weil sie die Sinne vernebeln. Dortmunds Trainer mag die Rechnerei nicht. ""Noch hat sich unsere Situation nicht viel verändert"", sagte er nach dem 4:0-Sieg gegen Karlsruhe: ""Wir sind nahe dran, aber noch nicht drin."" Und: ""Wir werden weiter jedes Spiel als Einzelstück betrachten, eine Kampfansage wird es von uns nicht geben."" Sieben Siege in Folge hat der BVB in der Rückrunde eingefahren, das ist eine Bilanz, die nicht einmal Koryphäen wie Ottmar Hitzfeld oder Matthias Sammer aufweisen konnten in jenen Jahren, als Dortmund auf Pump lebte und Meisterschaften sowie den Sieg in der Champions League einfuhr. Nun hat Klopp im Jahr des hundertjährigen Vereinsjubiläums zumindest für einen kleinen Eintrag ins Geschichtsbuch der Borussia gesorgt. Vor siebeneinhalb Jahren, als der BVB unter Sammer mit sechs Siegen in Folge die alte Bestmarke setzte, stand Nuri Sahin noch am Rand. ""Damals"", erinnert sich der Türke aus Meinerzhagen, ""war ich noch Balljunge."" Nun gehört der 20-Jährige zu den Protagonisten und freut sich, ""dass wir unseren eigenen Rekord geschafft haben"". Wichtiger ist, dass sich der hoch veranlagte Sahin unter Klopp stetig weiterentwickelt. So wie viele andere in einer Mannschaft, in der das Klinsmannsche Prinzip nachweislich funktioniert. Der Jürgen K. aus dem Revier schafft es tatsächlich, seine Spieler jeden Tag ein Stückchen besser zu machen. Hoch konzentriert geht sein BVB zu Werke, immer in der Lage, das Tempo zu verändern und das Spiel zu verlagern. Die Abwehr - in der letzten Saison noch die löchrigste der Liga - gehört mit jungen Spielern wie Subotic und Santana zu den stabilsten. ""Wir sind geduldig und trotzdem gierig"", sagt Außenverteidiger Patrick Owomoyela, wenn er auf die gefestigte Ausstrahlung der Borussia angesprochen wird. ""Und wir glauben an uns."" Worte hätten genau so von Klopp kommen können. Dreimal geht es in dieser Spielzeit noch um Punkte, und es ist nach den jüngsten Eindrücken damit zu rechnen, dass die Borussia auch beim angeschlagenen Tabellenführer aus Wolfsburg, daheim gegen Bielefeld und in Mönchengladbach noch punkten wird. Die Profis haben angekündigt, auch am Dienstag beim Spitzenspiel in Wolfsburg auf Sieg zu spielen. ""Wir wollen in dieser Saison noch was erreichen"", sagt der Brasilianer D,d,, und Sahin ergänzt: ""Wir können überall in der Bundesliga gewinnen und wollen auch da drei Punkte holen."" Dortmunds Höhenflug trägt die Handschrift eines Trainers, dem mancher Experte nicht zugetraut hat, auch außerhalb der heilen Mainzer Welt zu funktionieren. Wie groß der Vertrauensbonus in der neuen Heimat ist, zeigt der Umstand, dass Klopps Vertrag zu einem Zeitpunkt verlängert wurde, als der BVB acht Spiele nicht gewonnen hatte. Dass dabei keine Unruhe aufkam, ist wohl Klopps optimistischer Ausstrahlung zu verdanken: ""Wir haben uns das Recht rausgenommen, all die Unentschieden als halbe Siege zu werten. Und nicht als halbe Niederlagen."" In Dortmund glauben sie, mit Borussenflüsterer Klopp eine Zra bestreiten zu können. ""Wir wollen ihn möglichst so lange halten, wie es Werder Bremen vorexerziert"", hat Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke kürzlich gesagt. Otto Rehhagel arbeitete an der Weser 14 Jahre, Thomas Schaaf hat dort gerade sein zehnjähriges Dienstjubiläum gefeiert. Wenn es die Dortmunder Führungskräfte ernst meinen, hat Klopp also bis mindestens ins Jahr 2020 einen sicheren Arbeitsplatz.